Eliteakademie im akademischen Jahr 2023

Chemie, Materialwissenschaft und Lebensmittelchemie
Für interessierte Schülerinnen und Schüler und gute Studierende

Die Vielseitigkeit <br/>der Phosphate
Die Vielseitigkeit
der Phosphate
10.-Klässler im Fehling-Lab
10.-Klässler im Fehling-Lab
Besuch bei Bosch
Besuch bei Bosch
Auf den Spuren von Otto Hahn und Lise Meitner
Auf den Spuren von Otto Hahn und Lise Meitner
Hot and Cold: Temperatur und Wärme in der Chemie
Hot and Cold: Temperatur und Wärme in der Chemie
Hot and Cold: Temperatur und Wärme in der Chemie
Hot and Cold: Temperatur und Wärme in der Chemie
Hot and Cold: Temperatur und Wärme in der Chemie
Hot and Cold: Temperatur und Wärme in der Chemie

Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft

Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften  im Rahmen der
School for Talents dient der Förderung der Besten unter den Studierenden der Fakultät 3 sowie der Förderung besonders begabter und motivierter Schülerinnen und Schüler der Klassen 10 und der Oberstufe.

Als abschließendes Highlight im akademischen Jahr 2022:
Feuer und Flamme für Chemie - Experimentalvorlesung zu Gefahrstoffen.

Beitrag im studentischen Blog der Universität Stuttgart:
Als Schüler im Hörsaal - Nathanael begeistert sich für Chemie

Die leistungsstärksten Studierenden eines Jahrgangs werden durch fachbezogene Angebote gefördert, beispielsweise in einer Ringvorlesung von Professoren und führenden Wissenschaftlern der Fakultät, Kooperationspartnern anderer Fakultäten, Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie, und erhalten Unterstützung bei der Auswahl und Beantragung von außeruniversitären und Auslands-Praktika, Stipendien sowie einer aktiven Vermittlung von Forschungspraktika, Industrieexkursionen und Auslandsaufenthalten. Die Ringvorlesung wird im etwa 4-wöchigen Rhythmus stattfinden. Dabei schließt der intensive Diskurs eine grundlegende Einführung in die wissenschaftlichen Themen und deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz ein, gefolgt von einer intensiven Diskussion durch die Teilnehmer. Der anschließende enge soziale Kontakt zwischen Teilnehmerinnen, Teilnehmern, Dozentinnen und Dozenten liefert einen wichtigen Beitrag zur interdisziplinären Verknüpfung. Das Angebot wird durch Industrie- und weitere Exkursionen, die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Tagung sowie durch besondere Berücksichtigung der Mitglieder der Eliteakademie zur Teilnahme an Kursen der Ferienakademie Sarntal ergänzt.

Mitgliedern der Eliteakademie wird während des Bachelor-Studiums ein früherer Zugang zu Master-Wahlveranstaltungen ermöglicht. Ergänzend haben die herausragenden Studierenden der Eliteakademie die Möglichkeit, am Fast-Track-Programm teilzunehmen, indem sie während des Masterstudiums verstärkt in Projekte einzelner Forschergruppen eingebunden werden. 

Jedes Jahr werden in den beteiligten Studiengängen bis zu vier Abschlussarbeiten aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Eliteakademie zu einer besonderen Auszeichnung ausgewählt, mit einem Vortrag am Tag der Fakultät besonders hervorgehoben und mit einer Urkunde der Eliteakademie ausgezeichnet.

Auswahlverfahren:
Die Auswahl zur Eliteakademie erfolgt über eine Fakultätsauswahl. In die Eliteakademie werden die jeweils leistungsstärksten Studierenden der Lehrbereiche Chemie und Materialwissenschaften aus den Studiengängen Chemie Bachelor und Master, Lebensmittelchemie Bachelor, Materialwissenschaften Bachelor und Master sowie den Teilstudiengängen Bachelor of Arts Chemie und Master of Education Chemie aufgenommen. Die Auswahl verläuft über Studienfortschritt und Notendurchschnitt.

Besonders begabte Schülerinnen und Schüler nehmen mit den Studierenden zusammen an der Ringvorlesung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft teil. Außerdem erhalten Sie die Möglichkeit, innerhalb der Fakultät Chemie interessante Praktika durchzuführen sowie an einer wissenschaftlichen Tagung und ausgewählten Exkursionen teilzunehmen. Sie werden weiterhin bei der Teilnahme an Veranstaltungen des Schnupperstudiums inklusive dem Schnupperpraktikum Chemie, Schülerpraktika, dem Frühstudium sowie dem Kontakt und Zugang zu Forschungsgruppenleitern besonders berücksichtigt.

Die Bewerbung für das Programm findet zentral über die Homepage der Fakultät 3 der Universität Stuttgart statt.

Die Auswahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler aus den eingegangenen Bewerbungen trifft eine Auswahlkommission der Fakultät. Bewerbungsende ist der 30. September 2023.

Die Auswahl der Schülerinnen und Schüler für das Schuljahr 2023/24 ist abgeschlossen. Eine Bewerbung ist erst wieder ab Juli 2024 für das Schuljahr 2024/25 möglich.

Flyer zum Download.

Programm Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft, 2022/23

28.10.2022
Prof. Dr. Johannes Kästner, Universität Stuttgart
Astrochemie – Moleküle zwischen den Sternen
18.11.2022
Prof. Dr. Sabine Laschat, Universität Stuttgart
Vom Insektenpanzer zum Baumaterial: Bioinspirierte Werkstoffe aus Chitin
Dezember 2022
Keine Veranstaltung
20.01.2023
Prof. Dr. Blazej Grabowski, Universität Stuttgart
Heiße Themen der Materialwissenschaft: Simulanten am Werk
15.02.2023, 01.03.2023, 07.03.2023 und 08.03.2023
Termine bei Fehling Lab geblockt, Universität Stuttgart
Experimente mit CO2, Titration, Mikrowelle
24.03.2023
Prof. Dr. Thomas Staffel, BK Giulini GmbH Ladenburg
Die Vielseitigkeit von Phosphaten in Natur und Technik, Experimentalvorlesung
21.04.2023
Dr. Désirée Wille, Dr. Robert Larraß, Corporate Analytics - Chemical Analytics, Robert Bosch GmbH, Renningen
Chemie und Materialwissenschaften @ Bosch, Firmenbesichtigung
13.05.2023
Frau Dr. Susanne Rehn-Taube, Deutsches Museum München
Fachführung Chemie: Der Kernspaltungstisch von Otto Hahn
30.06.2023
Prof. Dr. Ralf Takors, Universität Stuttgart
Bioökonomie - ein wichtiger Pfeiler für die industriellen Produktionsprozesse von morgen
14.07.2023
PD Dr. Ingo Hartenbach, Universität Stuttgart

Experimentalvorlesung: Hot and Cold: Temperatur und Wärme in der Chemie

Abstracts:

28.10.2022
Astrochemie – Moleküle zwischen Sternen
Prof. Johannes Kästner, Institut für Theoretische Chemie, Universität Stuttgart
Im Weltall entstehen neue Sterne und Planetensysteme aus großen Gas- und Staubwolken. Astronomisch beobachtet man diese Vorgänge nicht nur mit sichtbarem Licht, sondern auch durch Detektion von Radiowellen oder Infrarotstrahlung. In diesen Wellenlängenbereichen kann man die Rotation und Schwingung von Molekülen messen. Die neuesten Daten erhalten sie dabei vom James-Webb-Weltraumteleskop, das Ende 2021 ins All geschossen wurde. So wurde herausgefunden, dass über 250 verschiedene Moleküle solchen interstellaren Wolken vorkommen. In der Astrochemie untersucht man mit Laborexperimenten und Computersimulationen, wie diese gebildet und zerstört werden und welche dazu führen, dass weniger Planeten gebildet werden.

18.11.2022
Vom Insektenpanzer zum Baumaterial: Bioinspirierte Werkstoffe aus Chitin
Prof. Dr. Sabine Laschat, Institut für Organische Chemie, Universität Stuttgart
Die Verbindung Poly-(N-Acetyl-1,4-β-D-Glucopyranosamin) ist eher unter dem Namen Chitin bekannt und bildet den Hauptbestandteil des Exoskeletts von Insekten, Spinnen- und Krebstieren. Durch Chitin ist ein Insektenpanzer zugleich robust und biegsam. Aus Chitin sollen in einem Forschungsprojekt an der Universität Stuttgart Werkstoffe für Spezialanwendungen im Bauwesen entwickelt werden, um dort beispielsweise den Energieverbrauch nachhaltig zu senken. Sie sind zudem deshalb so interessant, da sie hydrophob sind und damit resistent gegen Schimmel. Durch chemische Modifikation können Chitin-basierte Werkstoffe feuerfest werden und sind zudem kompostierbar.

20.01.2023
Heiße Themen der Materialwissenschaft: Simulanten am Werk
Prof. Dr. Blazej Grabowski, Institut für Materialwissenschaft, Universität Stuttgart
Maßgeschneiderte Materialien spielen in allen innovativen Technologien eine Schlüsselrolle. Ein Fortschritt in gesellschaftlich-relevanten Anwendungsfeldern (z.B. Batterien, Leichtbau, Photovoltaik) erfordert ein tiefgehendes Verständnis der Materialien bis hin zu den allerkleinsten Skalen, bis hin zu den Atomen und Elektronen. In der modernen Materialwissenschaft sind zum Aufbau dieses Verständnisses Computersimulationen unentbehrlich geworden. In diesem Vortrag sehen Sie Simulationen von Atomen und können damit verstehen, wie spannende Experimente und Alltagsphänomene erklärt werden. Sie dürfen nicht nur verstehen, Sie dürfen auch selber simulieren. Aber Achtung, es wird heiß!

24.03.2023
Die Vielseitigkeit von Phosphaten in Natur und Technik
Prof. Dr. Thomas Staffel, BK Giulini GmbH Ladenburg
Phosphate begleiten uns durch das gesamte Leben. Koordinierte Bewegungsabläufe wären ohne Phosphate nicht denkbar und das Skelett der meisten Wirbeltiere wird durch das Vorhandensein von Calciumphosphaten zu einer stabilen und regenerationsfähigen Einheit. Bei der Zahnpflege nutzt man Phosphate, die dem Zahnschmelz ähnlich sind. In der Arbeitswelt finden polymere Phosphate sehr vielfältige Anwendungen: Produktionsverfahren werden erleichtert, Produkte des Alltags können sicherer und einfacher verarbeitet werden. Der Vortrag gibt einen Überblick über die Bedeutung der Phosphate im täglichen Leben und veranschaulicht deren Wirkung anhand von einfachen Experimenten.

21.04.2023
Chemie und Materialwissenschaften @ Bosch
14-14.30: Ankunft und Registrierung
14:30-15:00: Begrüßung
15:00-16:30: Touren und Vorträge
16:30-17:30: Abschluss, Diskussionen und Austausch bei Getränken und Snacks

14.07.2023
Hot and Cold: Temperatur und Wärme in der Chemie
PD Dr. Ingo Hartenbach, Institut für Anorganisch Chemie, Universität Stuttgart
Die Chemie wird als Lehre der Stoffumwandlungen bezeichnet. Diese gehen in der Regel auch mit Energieumwandlungen einher, die zumeist in Form von Wärme auftreten. Wird diese Wärme nun als Energieportion zur Durchführung von Reaktionen benötigt oder als Produkt frei, ändert sich die Temperatur, in manchen Fällen sehr deutlich. Der Experimentalvortrag wird diese Thematik näher beleuchten und dabei die Temperaturskala im Rahmen der experimentellen Möglichkeiten voll ausschöpfen.

Auftakt des Studienjahres 2022/23 vor vollem Hörsaal

Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft kann an den großen Erfolg im Studienjahr 2021/22 anknüpfen und diesen sogar noch übertreffen. Zur ersten Veranstaltung versammelten sich trotz Bundesfachschaftstagung, Beginn der Herbstferien in Baden-Württemberg und zahlreicher Studienfahrten der Schulen fast 140 TeilnehmerInnen – die besten Studierenden der Fakultät sowie talentierte SchülerInnen aus ganz Baden-Württemberg – im Bunsen-Hörsaal der Universität Stuttgart. Alle waren gespannt, sich von Professor Johannes Kästner vom Institut für Theoretische Chemie der Universität Stuttgart ins Weltall entführen zu lassen, denn Thema der Veranstaltung war „Astrochemie – Moleküle zwischen Sternen“.

Die Astrochemie stützt sich heute auf drei Pfeiler: neben der Beobachtung durch Astronomen, die heute aber selten vor einem Teleskop stehen, sondern Daten eher durch Radioteleskop-Observatorien wie das ALMA in Chile (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array) sammeln lassen und am Computer auswerten, kommen als weitere Pfeiler Labor-Experimente sowie Simulationen hinzu. Bei den Labor-Experimenten werden im Hochvakuum einzelne Moleküle aufeinander geschossen und beobachtet, wie diese miteinander reagieren. Für die Simulationen werden große Rechnerkapazitäten benötigt. In Stuttgart ist dies durch den Supercomputer Hawk des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart möglich, den fünftschnellsten Supercomputer innerhalb der EU (Stand Juli 2021).

Im Weltall entstehen neue Sterne und Planetensysteme aus großen Gas- und Staubwolken. Astronomisch beobachtet man diese Vorgänge nicht nur mit sichtbarem Licht, sondern auch durch Detektion von Radiowellen oder Infrarotstrahlung. In diesen Wellenlängenbereichen kann man die Rotation und Schwingung von Molekülen messen. Die neuesten Daten erhalten die Forscher dabei vom James-Webb-Weltraumteleskop, das Ende 2021 ins All gebracht wurde. So wurden bisher bereits über 250 verschiedene Moleküle in interstellaren Wolken nachgewiesen. Die meisten dieser Moleküle sind nur 2 bis 12 Atome groß. Es wurden aber auch größere Moleküle wie bspw. C60 gefunden. Neben „normalen Molekülen“ gibt auch ungesättigte Verbindungen, Radikale und Ionen. Die häufigsten Moleküle im interstellaren Raum sind allerdings H2, CO und H2O.

Professor Kästner überraschte anschließend mit der Sichtweise von Astronomen auf das Periodensystem: dies konzentriert sich auf deutlich weniger Elemente als ein herkömmliches Periodensystem. Wasserstoff bildet dabei das am häufigsten vorkommende Element gefolgt von Helium. Weiterhin sind in diesem dezimierten Periodensystem noch die Elemente Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Neon, Magnesium, Silicium, Schwefel, Argon und Eisen zu finden.

Wie können Moleküle im interstellaren Raum aber detektiert werden? Dies geschieht mit spektroskopischen Methoden. Moleküle rotieren in der Gasphase. Da die Rotationsenergien gequantelt sind, können charakteristische Spektrallinien im Mikrowellenbereich der Wellenlänge von 1 mm bis 1 m beobachtet werden. Dies ist aber nur für polare Moleküle möglich. Weitere Analysemethoden sind Schwingungsspektroskopie im Infrarotbereich und elektronische Spektren im sichtbaren und ultravioletten Bereich.

Reaktionen von Molekülen im interstellaren Raum können vor allem auf Oberflächen von Staubpartikeln aus Ruß oder Sand, die von einer Eisschicht überzogen sind, stattfinden. Hier binden die Moleküle an der Oberfläche und können miteinander reagieren. Die Temperaturen in interstellaren Wolken sind aber mit etwa 10 K sehr niedrig und die Teilchendichte ist ebenso sehr gering. Reaktionsgeschwindigkeiten sind bei Temperaturen von 10 K gering. Der Ablauf kann aber durch den Tunneleffekt, mit dem sich auch Professor Kästner in seiner Forschung beschäftigt, ermöglicht werden. Hierbei können Quantenteilchen Energiebarrieren überwinden, die höher sind als ihre eigene Energie. Um diesen Effekt für die TeilnehmerInnen anschaulich zu machen, bediente sich Professor Kästner eines Vergleichs: wenn man einen Ball gegen eine Wand wirft, prallt er ab und fliegt zurück. Nun sollten sich die TeilnehmerInnen vorstellen, dass der Ball so klein wie ein Atom wäre und die Wand den Regeln der Quantenphysik gehorcht. Dann würde der Ball hin und wieder einfach durch die Wand wie durch einen Tunnel hindurchfliegen – nur wann, weiß keiner…
 
Zum Schluss stellte Professor Kästner noch die Frage nach außerirdischem Leben. Es gibt 100 bis 1000 Milliarden Sterne in unserer Galaxie und ebenso viele Galaxien im Universum. Das macht etwa 10 bis 1000 Trilliarden Sterne insgesamt – oder wie der Chemiker sagt: etwa 1 Mol. Wie wir heute wissen, besitzen viele davon ein Planetensystem oft mit Monden, vielleicht sogar die meisten davon. Ist nun auf einem dieser Planeten oder Monde Leben möglich? Auf der Erde finden wir auch in unwirtlichen Gegenden Leben: bei bis zu 90 °C Blaualgen, in der Antarktis bei ca. -20 °C wurden Bakterienkolonien gefunden, Mikroben wachsen auf Salzkristallen in der Wüste und in Black Smokern bei 300 bar und mehr als 400 °C wurden ebenfalls Bakterienkolonien entdeckt. Ob es nun aber auch außerirdisches Leben gibt, darauf hat auch Professor Kästner keine Antwort und überließ dies der Phantasie seiner ZuhörerInnen, die sich rege an der abschließenden Diskussion beteiligten.
 
Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften bietet den talentierten TeilnehmerInnen auch in den kommenden Monaten ein spannendes und herausforderndes Programm, in dem sie ihre wissenschaftlichen Kompetenzen ausbauen können und Einblicke in aktuelle Forschungsthemen erhalten.
 
Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft ist ein Projekt der School for Talents an der Universität Stuttgart, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert wird.

Berichte aus der aktuellen Forschung an der Universität Stuttgart – Chitin als nachhaltiger Werkstoff

Ausgestattet mit einem von der Carl-Zeiss AG gesponsorten Notizbuch und Stift strömten die mehr als 140 TeilnehmerInnen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft am 18. November 2022 in den Hörsaal V55.02, um dort zu erfahren, was es mit dem von der Carl-Zeiss Stiftung mit fast 2 Millionen Euro geförderten Projekt „Chitinfluid“ auf sich hat. Auch Professorin Dr. Sabine Laschat zeigte sich hochbeeindruckt von dem sich immer weiter füllenden Hörsaal. Mit ihrem Team hatte Frau Professorin Laschat nicht nur verschiedene Exponate und Experimente auf den Labortischen des Hörsaals aufgebaut, sondern auch alle Sitzplätze mit Gummibärchen und einem kleinen Quiz bestückt. 

In diesem Quiz sollten die TeilnehmerInnen zunächst einmal einschätzen, welche Stoffe Chitin enthalten. Zur Auswahl standen Äpfel, Kräuter-Seitlinge, Soldatenfliegenlarven, Basilikum, Insekten, Hefe, Austern, Algen, Schmetterlingsflügel und eben auch Gummibärchen. Alle diese Dinge hatte Frau Laschat zur Ansicht mitgebracht und einer ihrer Doktoranden hatte selbst die Mühe nicht gescheut, aus einem universitätsnahen Tümpel Algen zu holen.

Nun wurde zunächst das Biopolymer Chitin näher betrachtet. Chitin ist ein Polysaccharid, in dem die Monomere N-Acetylglucosamin durch β-1,4-glycosidische Bindungen miteinander verknüpft sind. Aufgrund des Polymerisationsgrades, der zwischen 300 und 150000 Monomeren liegt, gibt es eigentlich „viele Chitine“ mit unterschiedlichen Eigenschaften. Nach Cellulose ist Chitin das zweihäufigste Biopolymer, von dem die Biosphäre (v.a. Pilze, Häutungstiere, Weichtiere und Kieselalgen) jährlich mehr als 1010 Tonnen produziert. Industriell genutzt wird beispielsweise der Schimmelpilz Aspergillus niger bei der Herstellung von Zitronensäure. Dieser Pilze enthält Chitin als Bestandteil seiner Zellwand. Betrachtet man Meerestiere wie Krabben, Garnelen oder Krebse fällt auf, dass Chitin oft im Verbund mit CaCO3 vorkommt. Hier liegt ein Komposit- oder Hybridmaterial vor, bei dem Kalkkristalle wie durch einen Mörtel aus Chitin und Keratin zusammengehalten werden, was die Schlagzähigkeit von bspw. Muschelschalen bewirkt. Somit zeigt Chitin in der Natur interessante Eigenschaften wie Stütz- und Schutzfunktionen, ist weiterhin aber auch biologisch abbaubar, antibakteriell und wasserabweisend. 

Aus Chitin kann durch partielle saure Hydrolyse und anschließende Neutralisation mit NaOH Chitosan gewonnen werden, ein Polymer, das anstelle der N-Acetyl-Gruppen freie Amin-Gruppen besitzt. Um die Eigenschaften zu verdeutlichen führte nun Michael Müller, ein Mitarbeiter des Arbeitskreises von Frau Professorin Laschat, Lösungsversuche vor. Während sich Mais-Stärke in heißem Wasser vollständig löst, zeigt übliche käufliche Haushaltsstärke nur eine teilweise Löslichkeit, Cellulose ist nicht löslich. Ähnlich verhält es sich mit Chitin und Chitosan. Während Chitosan in einer Lösung aus Wasser und Essigsäure gelöst werden kann, ist Chitin darin unlöslich.

Und genau dieses Lösungsverhalten von Chitin ist es, was die Forschungsgruppe aus sechs Instituten um Frau Professorin Sabine Laschat an der Universität Stuttgart genauer untersuchen möchte. Ziel ist es, aus Chitin und seinen Derivaten in einem wasser-basierten Prozess Werkstoffe zu entwickeln, die dann für Spezialanwendungen im Bauwesen geeignet sind und den Energieverbrauch der Bauindustrie nachhaltig senken sollen. Schließlich ist der Bausektor für mehr als 40 % des globalen Energieverbrauchs, 35 % der CO2-Emissionen und 45 % des globalen Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Nachhaltige Baustoffe werden somit immer wichtiger. Chitin-basierte Materialien könnten hier zu einem sinkenden Energieverbrauch in Gebäuden und beim Gebäudebau beitragen und sind außerdem umweltfreundlich, da sie biogen und kompostierbar sind. Um diese Baustoffe zu entwickeln, muss aber zunächst ein Weg gefunden werden, Chitin in Lösung zu bringen und entsprechend weiterzuverarbeiten.

Am Ende des Vortrags wurde noch das Quiz aufgelöst. Außer den Äpfeln, dem Basilikum und den Gummibärchen enthielten alle weiteren genannten Objekte Chitin. Nach diesen interessanten Einblicken lud Frau Professorin Laschat die ZuhörerInnen ein, nach vorne zu kommen, mit den MitarbeiterInnen zu diskutieren und sich die Exponate aus der Nähe anzusehen. Dieses Angebot nahmen die TeilnehmerInnen zahlreich war. Ein besonderer Dank gilt Frau Nina Oehlsen (Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie) und Herrn Tongyu Xu (Institut für Werkstoffe im Bauwesen), die unermüdlich die Fragen der interessierten SchülerInnen und Studierenden beantworteten. Ebenso geht ein großer Dank an Herrn Michael Müller (Institut für Organische Chemie) für die Vorführung der Experimente, Herrn Andreas Greulich (Institut für Organische Chemie) für Betreuung der Technik, Herrn Dr. Michael Schweikert (Institut für Biomaterialien und Biomolekulare Systeme) für die Bereitstellung der biologischen Präparate und Stereolupen, Frau Dr. Anna Zens (Institut für Organische Chemie) für Design & Layout und Herrn Dr. Linus Stegbauer (Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie) für die Bereitstellung von Folien und Ideen.
 
Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft ist ein Projekt der School for Talents an der Universität Stuttgart, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert wird.

Eine verbogene Büroklammer geht beim Erhitzen wieder in ihre Ausgangsform zurück – wie kann das sein? Nachdem Professor Dr. Blazej Grabowski dieses beeindruckende Experiment als Video gezeigt hatte, versprach er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Eliteakademie, dass sie am Ende der Veranstaltung verstanden haben werden, wie so etwas passieren kann. Erklärt werden sollte dies mit Hilfe von Simulationen, die die Teilnehmenden dann auch selbst an ihren mitgebrachten Laptops ausführen konnten.

Die Herausforderung bei der Beschreibung und dem daraus resultierenden Verständnis besteht darin, dass beim Materialdesign verschiedene Skalen betrachtet werden müssen, angefangen im Nanometerbereich der Atome und ihren Wechselwirkungen untereinander, bis hin zum fertigen Bauteil, welches als anderes Extrem im Zentimeter- bis Meterbereich liegt. Insbesondere die Atome und ihre Wechselwirkungen bestimmen dabei die Materialeigenschaften. Damit ist das Verständnis darüber fundamental für die Entwicklung neuer Funktionsmaterialien. Auf atomarer Ebene können Kräfte zwischen den Atomen durch ein gekoppeltes Differentialsystem mathematisch beschrieben werden. So kann berechnet werden, wie Atome den Nachbaratomen in ihrer Bewegung folgen, wenn ein Material beispielsweise erwärmt wird. Derartige Simulationen konnten die Teilnehmer anhand eigener Molekular-Dynamik-Rechnungen durchführen und die Ergebnisse direkt auf den mitgebrachten Laptops sehen.

In einer ersten Simulation wurde das Schmelzen eines Nanowürfels aus Atomen (Aluminium oder Kupfer) nachvollzogen. Die Teilnehmer beobachteten hier am eigenen Laptop, wie die Atome unter dem Einfluss der thermischen Energie schwingen und der Nanowürfel seine strukturierte Form verliert. Der Schmelzübergang ist in der Simulation gut zu erkennen: er beginnt an den Ecken des Würfels und setzt sich dann den Kanten fort, die sich sichtbar abrunden. Die Ordnung geht immer mehr verloren. In der Schmelze brechen die interatomaren Bindungen und die Atome ordnen sich deutlich chaotischer an als in der festen Phase. Trotzdem kann der Atomverband noch als eine Einheit betrachtet werden, da die einzelnen Atome durch ihre räumliche Nähe weiterhin miteinander wechselwirken. Das System strebt in Richtung der thermodynamisch stabilsten Konfiguration mit geringster Oberflächenspannung, es bildet sich also eine Kugel.

In einer zweiten Simulation wurde ein fest-fest Phasenübergang von Titan simuliert. Bei Zimmertemperatur liegt Titan in einer hexagonal dichtest gepackten (hcp) Struktur vor. Bei 1166 K erfolgt ein Strukturübergang in die kubisch-raumzentrierte (bcc) Struktur. Diese Umwandlung liegt deutlich unter dem Schmelzpunkt von Titan (1941 K). Es handelt sich nach der Phasenumwandlung immer noch um einen geordneten Kristall.

Nachdem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diese Simulationen ausgeführt und nachvollzogen haben, kam Professor Grabowski auf das Experiment mit der Büroklammer zurück. Die Büroklammer besteht aus Nitinol, einer Legierung aus Nickel und Titan. Diese Legierung gehört zu den sogenannten Formgedächtnislegierungen oder auch Memory-Metallen. Solche Legierungen können sich an ihre frühere Form sozusagen erinnern, auch wenn sie stark verformt werden. Dabei existieren in dieser speziellen Legierung zwei kristallographisch unterschiedliche Phasen, eine austenitische Hochtemperaturphase und eine martensitische Niedertemperaturphase. Diese beiden Phasen können durch Temperaturänderung ineinander übergehen. Die Formgedächtnis-Legierung Nitinol kann so auch nach starker Verformung wie bei der Büroklammer wieder ihre ursprüngliche Gestalt annehmen. Hierzu ist die Erwärmung über eine legierungsspezifische Temperatur notwendig, was zur Rückführung in den ursprünglichen Zustand führt.

Professor Grabowski stellte somit anschaulich ein spannendes Thema vor, das für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die selbst durchgeführten Simulationen deutlich greifbarer gemacht wurde.

Gleich mehrere Termine wurden im Februar und März angeboten, damit alle Schülerinnen und Schüler der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft die Gelegenheit hatten, in einem echten Universitätslabor zu experimentieren. Da einige TeilnehmerInnen bereits im ersten Jahrgang 2021/22 an der Eliteakademie teilgenommen hatten, wurde die Gruppe nach Klassenstufen eingeteilt. Während die 10.-KlässlerInnen sich mit der Säure-Base-Titration beschäftigten, wurden die Älteren in die Geheimnisse der Mikrowellenöfen eingeführt – nicht ohne den Hinweis zu bekommen, dies zuhause nicht nachzumachen.

Von den „erfahrenen“ Großen hatten die 10.-Klässler schon gehört, dass sie nun etwas lernen, was bei den meisten erst in der Oberstufe behandelt wird. „In der 11. Klasse müsst ihr dann auch titrieren – dann könnt ihr das schon und habt euren Mitschülern etwas voraus.“ – so die einhellige Meinung derjenigen, die bereits beim letzten Jahrgang dabei waren. Zunächst probierten die 10.-KlässlerInnen aus, welche Färbungen unterschiedliche Indikatoren im sauren, neutralen und alkalischen Milieu zeigen. Danach sahen sie sich in einem Vorversuch die Reaktion von Zitronensäure mit Soda an. Die Freude war groß, als sie erkannten, dass sie in ihren Petrischalen genau die Ergebnisse erhielten, die sie schon im Flyer der Eliteakademie gesehen hatten. Anschließend führten die TeilnehmerInnen ihre erste richtige Titration durch: Sie titrierten Salzsäure mit Natronlauge und berechneten anschließend die Konzentration der Salzsäure.

Die älteren Schülerinnen und Schüler aus der J1 durften Experimente durchführen, um zu verstehen was passiert, wenn wir Speisen oder Getränke in einem Mikrowellenofen erwärmen. In einem ersten Versuch stellten die Schülerinnen und Schüler selbst Pop-Corn her und überlegten, welche Vorgänge dabei im Mikrowellenofen ablaufen. Da ein Uhrglas, als Deckel auf dem Becherglas mit dem Mais, nach dem Versuch beschlagen war, folgerten die SchülerInnen, dass wohl Wasser in den Maiskörnern verdampfen muss und den Mais „poppen“ lässt. Um dieses Ergebnis zu verifizieren, wurde anschließend 1 ml Wasser in einen Luftballon gefüllt und verschlossen. Ein weiterer Luftballon wurde einfach leer verschlossen. Nach 1 Minute im laufenden Mikrowellenofen dehnte sich der mit Wasser gefüllte Luftballon merklich aus, während der andere klein blieb. Die Mikrowellen erwärmen das Wasser also nicht nur, sondern lassen es auch verdampfen.

Wie verhalten sich aber andere Stoffe in Mikrowellen? Um dies zu erforschen, stellten die SchülerInnen fünf Schnappdeckelgläschen in den Mikrowellenofen. Die ersten vier Schnappdeckelgläschen waren mit Luft, Wasser, einer Salzlösung bzw. Speiseöl gefüllt, während das fünfte Gläschen mit Wasser gefüllt und zusätzlich mit Aluminiumfolie umwickelt war. Das Schnappdeckelgläschen mit dem Salzwasser erwärmte sich am stärksten, gefolgt von dem mit Wasser gefüllten. Bei allen anderen Gläschen konnte keine oder nur eine kaum merkliche Erwärmung festgestellt werden. Für die Erwärmung sind damit elektrische Felder wichtig. Aluminiumfolie hingegen reflektiert die Mikrowellen, so dass sie das Wasser nicht erwärmen können.

Aber sind mittels Mikrowellen erhitzte Nahrungsmittel schädlich für uns? Nein, da es sich um nichtionisierende Strahlung handelt, können wir bedenkenlos unser Essen in der Mikrowelle erwärmen.

Nun stellte sich die Frage, an welchen Platz im Mikrowellenofen eine Tasse am besten hingestellt werden sollte und warum ein Drehteller verwendet wird. Die meisten SchülerInnen gaben an, dass sie eine Tasse immer in die Mitte stellen würden. Aber befindet sich hier wirklich die Stelle mit der höchsten Heizleistung innerhalb eines Mikrowellengerätes? Um dies zu untersuchen, belegten die TeilnehmerInnen eine Styroporplatte mit Küchenkrepp, das sie anschließend mit Wasser gut befeuchteten und dann mit Thermo-Fax-Papier belegten. Auch wenn es im Fehling-Lab schon lange kein Fax-Gerät mehr gibt, das Papier findet hier noch eine gute Anwendung. Die vorbereitete Styroporplatte wurde nun in den Mikrowellenofen gelegt. Die Schwärzung des Thermo-Fax-Papiers schon nach wenigen Sekunden zeigte die Hot-Spots, also die heißesten Bereiche des Mikrowellenofens, an. Diese waren, abhängig vom verwendeten Gerät an ganz unterschiedlichen Stellen zu beobachten. Nun wurde auch die Bedeutung des Drehtellers klar: Das Essen soll möglichst gleichmäßig erwärmt werden und nicht an einer Stelle schon heiß sein, während es an einer anderen Stelle noch kalt ist.

Im Folgenden führten die SchülerInnen mit Citronensäure und Glycerin eine Veresterung im Mikrowellenofen durch und stellten damit selbst einen Kunststoff her, aus dem sie mit Zahnstochern bis zu zwei Meter lange Fäden ziehen konnten.

Besonders beeindruckt waren die TeilnehmerInnen von den letzten beiden Versuchen. Zunächst wurde eine CD für wenige Sekunden in den Mikrowellenofen gelegt. Das Metall erhitzte sich so stark, dass es zur Funkenbildung kam, die gut durch das Fenster des Mikrowellenofens beobachtet werden konnte. Die Metallschicht der CD zeigte anschließend zahlreiche Risse.

Kann man auch Glas in der Mikrowelle schmelzen? Zunächst einmal denkt man, dass dies sehr unwahrscheinlich ist, da ja auch der Drehteller des Mikrowellenofens aus Glas ist. Hier sollte nun das Wissen um den Hot-Spot des jeweiligen Mikrowellen-Gerätes zum Einsatz kommen. Die SchülerInnen stellten in den Hot-Spot ihres Mikrowellen-Gerätes ein GST-Element (Graphit-Suszeptor-Tiegelsystem-Element) mit Porzellantiegel, in den sie eine Glasgrundmischung gefüllt hatten. Nach 20 Minuten im Mikrowellenofen war die Glasmischung tatsächlich geschmolzen und die SchülerInnen konnten Glastropfen auf einen Schamottstein gießen, die sie nachher als Andenken an den Experimentiernachmittag mit nach Hause nehmen durften.

Ein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Marco Spurk, dem Geschäftsführer des Fehling-Labs sowie den betreuenden Lehrkräften, Frau Katja Engel, Frau Sabine Frank, Frau Sandra Heske, Frau Elke Pilz sowie Frau Eva Rambach für die gelungenen Experimentiernachmittage.

Wieso kommt Brad Pitt in einer Vorlesung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft vor? Und was hat er mit Phosphaten zu tun? Diese und viele weitere Antworten auf Fragen rund um die Vielseitigkeit von Phosphaten in der Natur und Technik erhielten die TeilnehmerInnen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft von Professor Dr. Thomas Staffel, der es sich als Honorarprofessor der Universität Stuttgart und zugleich Industrievertreter der Firma BK Giulini GmbH nicht nehmen ließ, die TeilnehmerInnen in seinem letzten Vortrag vor seiner Pensionierung in die Welt der Phosphate zu entführen. Der eine oder andere wird sich beim Betreten des Hörsaals auch gefragt haben, warum er eine Tube Zahnpasta in die Hand gedrückt bekommt – aber auch dieses Rätsel sollte im Verlauf der Vorlesung gelöst werden. Zurück zu Brad Pitt: Professor Staffel wählte als Einstieg Bilder aus dem Film „Allied – Vertraute Fremde“ mit Brad Pitt, in dem dieser einen Agenten darstellt, der vorgibt, in einer Phosphat-Firma zu arbeiten. Als Test, ob dies tatsächlich möglich sein kann, sollte er die Formel von Phosphat auf ein Stück Papier schreiben. Diesen Test hätte sicherlich auch die überwiegende Mehrheit der TeilnehmerInnen erfolgreich bestanden und richtig PO43- aufgeschrieben. 
Phosphaterze werden unter anderem in der Negev-Wüste in Israel abgebaut und müssen dann zunächst mit Schwefelsäure aufgeschlossen werden, wobei zuerst die aufgrund ihrer Farbe sogenannte „grüne Phosphorsäure“ entsteht, die gereinigt werden muss. Phosphorsäure reinster Qualität kommt dann mit dem Schiff bei BK Giulini in Ladenburg an und wird zu unterschiedlichen Phosphaten weiterverarbeitet, die in zahlreichen Sparten Anwendung finden, so zum Beispiel als Dentalphosphate mit verschiedenen Funktionen in Zahnpasta. Der Anteil mineralischer Bestandteile im Zahnschmelz beträgt 95 %, wobei der überwiegende Anteil davon Calciumphosphate in Form von Hydroxylapatit, Fluorapatit und Octacalciumphosphat sind. Damit sind Phosphate und Fluoride natürliche Bestandteile des menschlichen Körpers. Die stabilste Form der Calciumphosphate in unserem Zahnschmelz ist Fluorapatit, welches eine im Vergleich zu den anderen Phosphaten deutlich geringere Löslichkeit auch bei sinkendem pH-Wert zeigt. Der pH-Wert im Speichel des Mundes sinkt nach dem Essen, da Bakterien Milchsäure erzeugen.

Nun kam auch die Zahnpasta zum Einsatz. Jeder Teilnehmer im Auditorium sollte einen Streifen Zahnpasta auf eine kleine Karteikarte drücken und den Streifen dann genau betrachten, riechen und schmecken – Ziel war es, herauszufinden, woraus Zahnpasta besteht. Die TeilnehmerInnen hatten hierzu viele Ideen: Wasser als Matrix und Fließmittel, Glycerin als Feuchthaltemittel und für den Glanz, Konservierungsmittel, um Zahnpasta haltbar zu machen, Aromastoffe für den Geschmack, Bindemittel und selbstverständlich Phosphate oder Silikate als Abrasivstoffe sowie Verbindungen, die einen Fluoreintrag in den Zahnschmelz ermöglichen.

Phosphate in Form von Polyphosphat-Anionen spielen weiterhin beispielsweise in der Wasserenthärtung eine Rolle, da sie Calcium-Ionen komplexieren. Ebenso können Eisen-Ionen komplexiert werden, wie in einem Experiment gezeigt wurde. Dazu standen zwei Meßzylinder mit Tannin-Lösung im Hörsaal. Zu der einen Lösung wurde noch ein Polyphosphat zugesetzt, bevor in beide Lösungen Eisenchlorid-Lösung gegeben wurde. Während die Lösung ohne Polyphosphat eine tiefdunkelblaue Farbe annahm, entfärbte sich die Lösung mit Polyphosphat schnell wieder, da die Eisen-Ionen komplexiert wurden.

In Reinigungsmitteln kommen ebenfalls Phosphate mit einem geringeren Kondensationsgrad zur Anwendung. Allerdings sind aktuelle Haushaltsgeschirrreiniger inzwischen phosphatfrei. Die Funktionen, die z.B. Natriumtriphosphat in solchen Reinigern übernommen hatte, bestanden in der Wasserenthärtung durch Komplexierung von mehrwertigen Metallkationen, als Dispergiermittel bei der Schmutzablösung sowie in der alkalischen Fetthydrolyse. Seit 2017 ist die Mengenbegrenzung von Phosphaten in Haushaltsgeschirrreinigern soweit erniedrigt worden, dass diese Phosphate durch andere Produkte ersetzt werden mussten. Trotzdem befinden sich in unserem Abwasser weiterhin große Mengen an Phosphaten – Verursacher sind wir selbst, indem wir Phosphate über die Nieren ausscheiden. Inzwischen ist es damit auch wirtschaftlich interessant geworden, Phosphate aus Kläranlagen zurückzugewinnen.

Polyphosphate mit mittlerer Kettenlänge zeigen ein gutes Dispergiervermögen und werden in Farben eingesetzt. Hier lernten die TeilnehmerInnen, dass sie bei der nächsten Renovierung ihres Zimmers bei der Farbwahl besser eine Premium-Farbe mit hoher Deckkraft wählen sollten, was sie nun an der Inhaltsliste am höheren Anteil an Weißpigment und Bindemittel erkennen können. Auch der Einsatz von kondensierten Phosphaten in Gipsputz ist vorteilhaft, da eine verlängerte Verarbeitungszeit erreicht werden kann, was die Bearbeitungsqualität verbessert.

Weiterhin finden Phosphate Anwendung in der Lebensmittelindustrie, so bspw. als Säurequelle in Backtriebmitteln. Je nach Anwendung soll die Säure schneller oder weniger schnell freigesetzt werden, so dass in einem Fertigteig andere Phosphate zum Einsatz kommen als in einem Standardhaushaltsbackpulver oder in Backpulver für Mikrowellenkuchen.

An eine Anwendung von Phosphaten in Pommes hätten sicherlich die wenigsten ZuhörerInnen spontan gedacht, aber auch hier kommt Phosphat in Form von saurem Natriumdiphosphat Na2H2P2O7 zum Einsatz. Kartoffeln enthalten unterschiedlich viel Eisen, was nach dem Vorfrittieren zu einer bläulich-dunklen Verfärbung führen kann. Phosphat bindet die Eisenionen, so dass die Kochverdunkelung verhindert wird und ein immer gleichbleibend aussehendes Produkt auf dem Teller vorgefunden wird. Eine andere Anwendung hätte hingegen sicherlich fast jeder Teilnehmende nennen können: Phosphorsäure als Säuerungsmittel in Cola-Getränken.

Damit endete der Ausflug ins Reich der Phosphate. Die TeilnehmerInnen haben eine breite Palette von Anwendungen in ihrem täglichen Erleben kennengelernt, die sie sicher vorher nicht im Blick gehabt hätten.

Wie arbeitet ein Chemiker in der Forschung und Entwicklung, welche Berufsaussichten gibt es für aktuelle Studierende und ist schon eine Kooperation in einer Bachelor- oder Masterarbeit möglich? Mit diesen und weiteren Fragen fuhren ca. 50 studentische TeilnehmerInnen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft zum Bosch-Campus für Forschung und Vorausentwicklung in Renningen. Die TeilnehmerInnen wurden herzlich von Herrn Dr. Ralf Schmidt, Leiter der Abteilung „Corporate Research/Analytics“ begrüßt, der einen Überblick über die Bosch-Gruppe und die Arbeitsgebiete der Abteilung gab. So erfuhren die TeilnehmerInnen, dass Bosch als Stiftung arbeitet und als wertebasiertes Unternehmen versucht, Trends zu setzen. So ist Bosch beispielsweise seit 2020 CO2-neutral. Getreu dem Motto „We innovate for life“ arbeitet bei Bosch ein globales Team, wobei Innovationen im Vordergrund stehen, es werden also Themen erforscht, in denen „Neuland“ betreten wird. Ziel ist immer auch, dass die Produkte für mehr Lebensqualität sorgen sollen. Dr. Schmidt führte auch aus, dass zahlreiche Zusammenarbeiten mit der Universität Stuttgart bestehen.

Praktische Einblicke in das Forscherleben bei Bosch, zukünftige Beschäftigungsmöglichkeiten und die vielfältigen Forschungsthemen im Bereich der Chemie erhielten die TeilnehmerInnen dann bei einem Rundgang durch unterschiedliche Abteilungen: die Schadensanalytik, die Brennstoffzellenentwicklung und die Entwicklung nachhaltiger Kunststoffe wurden als Beispiele für Arbeitsgebiete von Chemikerinnen und Chemikern gezeigt.

In der Schadensanalytik erfuhren die TeilnehmerInnen, dass ein großes Portfolio unterschiedlicher Materialen zu untersuchen ist, so dass sehr viele verschiedene Methoden notwendig sind, um die Schadensfälle zu bewerten. Wie in einem Puzzle arbeiten sich die ForscherInnen vom Großen – d.h. dem kompletten schadhaften Werkstück – zum Kleinen – und damit der Komponente, die tatsächlich defekt ist – vor. Dazu stehen den Forschern zahlreiche Methoden zur Verfügung wie z.B. Mikroskopie, Elektronenmikroskopie, Spektroskopie, Chromatographie, DSC, DTA, um nur einige zu nennen. Die Mitarbeiter erläuterten, dass es oft die kleinen, billigen Teile sind, die ausfallen und sie sich auf eine „forensische Suche“ machen müssen. Häufig ist das Problem Korrosion, so dass auch untersucht werden muss, ob alle Zulieferer die vorgegebenen Spezifikationen eingehalten haben.

Ein weiterer Punkt war die Brennstoffzellenentwicklung. Hierbei erhielten die TeilnehmerInnen einen Einblick in mobile und stationäre Brennstoffzellentechnologie. Für den mobilen Bereich, d.h. den Einsatz in Kraftfahrzeugen, kommen Polymerelektrolyt-Brennstoffzellen (PEM), die Wasserstoff als Brennstoff verwenden, infrage. Die Studierenden bekamen hier erläutert, mit welchen Problemen und Fragestellungen die ForscherInnen konfrontiert sind: wie bringt man den Katalysator auf die Elektrodenoberfläche auf, wie sorgt man dafür, dass das Material nicht in den Elektrolyten wandert, sind mögliche Fragestellungen. Mit oxidkeramischen Hochtemperatur-Brennstoffzellen, die bei Temperaturen von 600 – 700 °C arbeiten, arbeitet Bosch auch an einer stationären Lösung, die als Energieträger Wasserstoff oder Methan verwendet. Mit Hilfe dieser Technologien hoffen die ForscherInnen den Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien tatkräftig zu unterstützen.

Als weiterer Programmpunkt stand eine Einführung in die Arbeit an nachhaltigen Kunststoffen auf dem Programm. Ziel ist es hier, Kunststoffe mit hohem CO2-Fußabdruck durch solche mit niedrigerem zu ersetzen und anspruchsvolle Technik in der Industrie aus recyceltem Material herzustellen. So sollen z.B. aus dem Polypropylen alter Autobatterien Gehäuse für Ultraschallsensoren für Parkpiloten von Kraftfahrzeugen entstehen. Für die Herstellung des neuen Kunststoffs steht den ForscherInnen in Renningen eine eigene Compoundieranlage zur Verfügung, mit der sie unterschiedliche Kunststoffmischungen herstellen können. Die hergestellten Kunststoffe müssen dann getestet werden: Hitzebeständigkeit, Dehnbarkeit und Belastbarkeit sind hier wichtige Spezifikationen. Fernziel für die Kunststoffexperten ist eine richtige Kreislaufwirtschaft.

Nach diesen zahlreichen neuen Eindrücken hatten die TeilnehmerInnen anschließend noch die Möglichkeit, sich in lockerer Atmosphäre bei Getränken und Brezeln mit den Bosch-Experten und Mitarbeitern der Personalabteilung zu vernetzen und Fragen zu stellen.

Ein besonders herzlicher Dank geht an Frau Anja Luff, Frau Dr. Désirée Wille und Herrn Robert Larrass, die diese Exkursion vorbereitet und durchgeführt haben, sowie den ExpertInnen bei Bosch, die uns die unterschiedlichen Forschungsgebiete nahegebracht und erläutert haben, und für Fragen zur Verfügung standen.

An einem Samstagmorgen um 7:30 Uhr bot sich an der Universität Stuttgart ein ungewohntes Bild – zahlreiche junge Leute fanden sich an der Bushaltestelle Universität Schleife ein. Entgegen der landläufigen Meinung, dass dies nur Spätheimkehrer von freitäglichen Studierendenpartys sein könnten, sahen diese jungen Leute durchaus ausgeschlafen und erwartungsfroh aus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft waren so früh aufgestanden, um auf eine Exkursion nach München zum Deutschen Museum zu fahren. Pünktlich um 8 Uhr startete die Reisegruppe mit zwei Bussen Richtung München.

Auf dem Programm stand nicht nur der Museumsbesuch, sondern auch ein Vortrag zur Entdeckung der Kernspaltung durch Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Straßmann und ihr „Kernspaltungstisch“. Die Kuratorin der Abteilung Chemie, Frau Dr. Susanne Rehn-Taube, ließ es sich nicht nehmen, in zwei an die jeweiligen Gruppen aus Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden angepassten Vorträgen persönlich über die Entdeckung der Kernspaltung und das Exponat zu berichten. Frau Dr. Rehn-Taube erklärte, dass Hahn, Meitner und Straßmann in den 1930er Jahren Uransalze mit Neutronen bestrahlten, um Elemente herzustellen, die schwerer als Uran sein sollten. Allerdings enthält eine Probe von 1-2 g Uran-Salz nur unwägbare Mengen des Bestrahlungsproduktes, so dass diese mit ähnlichen Elementen ausgefällt werden müssen und in den Niederschlägen die Strahlung gemessen wird. In einem Versuchsprodukt vermuteten Hahn und Straßmann Radium als Produkt des Neutroneneinfangs, was aber nicht nachgewiesen werden konnte. Dieses Ergebnis konnten sich Hahn und Straßmann zunächst nicht erklären, vermuteten dann aber, dass Barium – und damit ein deutlich leichteres Element – entstanden sein musste. Eine wissenschaftliche Erklärung für dieses Ergebnis hatten sie jedoch nicht. Daher berichtete Otto Hahn in einem Brief an Lise Meitner, mit der er jahrelang erfolgreich zusammengearbeitet hatte und die 1938 – sie war als Jüdin durch die Verfolgung durch die Nationalsozialisten bedroht – nach Schweden geflohen war, von den Forschungsergebnissen. Die für die Forscher zunächst unglaubliche Erklärung soll Lise Meitner bei einem Winterspaziergang in Schweden mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch gefunden haben. Der Urankern musste durch den Neutronenbeschuss in Schwingungen geraten und in zwei nahezu gleich große Atome der Elemente Barium und Krypton zerfallen sein. Dass diese Erklärung des Rätsels Lösung war, konnte Hahn und Straßmann – nun wussten sie ja, wonach sie suchen mussten – durch Nachweis des entstandenen Kryptons zeigen. Damit war die erste Kernspaltung bewiesen, was eine große Sensation gewesen ist. Bereits im Jahre 1939 begannen in den USA Versuche, die Kernspaltung für militärische Zwecke zu nutzen, die in der Entwicklung der Atombombe mündeten. Den militärischen Einsatz der Kernspaltung bezeichnete Otto Hahn stets als „Schweinerei“.

Nach dem Vortrag von Frau Dr. Rehn-Taube ging die Gruppe zum „Hahn-Meitner-Straßmann-Tisch“. Hier erfuhren sie, dass dieser Tisch in dieser Weise nie im Labor gestanden hat. Es handelt sich vielmehr um einen Tisch aus den Räumen des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts, dem Arbeitsort der Forscher, auf dem Teile der Original-Ausrüstung arrangiert sind, es sich dabei aber nicht um eine historisch korrekte Anordnung handelt. So steht die Waschflasche nur symbolisch für die analytische Arbeit im Chemie-Labor und auch der Paraffinblock, auf dem die Uran-Probe zur Bestrahlung mit Neutronen lag, stand in einem separaten Bestrahlungsraum. Die Messung der Aktivitäten der Proben fanden schließlich in einem Messraum statt. Eine Messung der schwach strahlenden Reaktionsprodukte wäre – wie auf dem Tisch aufgebaut – neben der starken Neutronenquelle überhaupt nicht möglich gewesen.

Anschließend hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch Gelegenheit, sich ausgiebig in den neu gestalteten Bereichen des Deutschen Museums umzuschauen. Hier gab es neben der neugestalteten und vollständig modernisierten Chemie-Ausstellung zahlreiche weitere Bereiche zu entdecken, wie die Atomphysik, die Luft- und Raumfahrt, Optik und vieles mehr.

Mit zahlreichen neuen Eindrücken ging es am späten Nachmittag wieder zurück nach Stuttgart.

Die Weltbevölkerung nimmt zu, fossile Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle werden knapper und die CO2-Emissionen beeinflussen zunehmend unser Klima und die Temperatur auf der Erde, da sie den Treibhauseffekt und die Erderwärmung verstärken. Grund genug für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft, sich einmal näher erklären zu lassen, wie Bioökonomie dazu beitragen kann, die 2015 formulierten Nachhaltigkeitsziele der UN oder das Ziel der EU für 2050, die CO2-Neutralität tatsächlich zu erreichen. Baden-Württemberg kann sich dabei auf die Fahne schreiben, dass unser Bundesland schon früher als die Bundesrepublik Deutschland eine Bioökonomie-Strategie verabschiedet hat.

Was aber ist Bioökonomie? Bioökonomie hat das Ziel, Ökonomie und Ökologie für nachhaltiges Wirtschaften zu verbinden. Dabei ist Bioökonomie eigentlich kein neues Feld, da es viel mit Biotechnologie zu tun hat – die Produktion von Wein, Brot, Bier oder Käse beispielsweise sind biotechnologische Prozesse und schon seit etwa 8000 Jahren bekannt. In diesen Prozessen sind Mikroorganismen bedeutend. Solche Mikroorganismen wurden erstmals von Antonie van Leewenhoek (1632 – 1723) mikroskopiert und von Robert Koch (1843 – 1910) als Krankheitserreger nachgewiesen. Seit dieser Zeit gab es in der Biotechnologie große Fortschritte und jeder kann heutzutage innerhalb kürzester Zeit seine eigene Genom-Information für einen Preis von ca. 600 Euro erhalten. Der Mensch verfügt etwa über 24000 Gene – und damit über nicht viel mehr als Bakterien. Selbst Erdbeeren haben mehr Gene als Menschen…

Die Biotechnologie wird in verschiedene Zweige unterteilt, welche anhand von Farben klassifiziert werden: Grüne Biotechnologie betrifft pflanzliche Anwendungen und so den Einsatz in der Landwirtschaft, weiße Biotechnologie hingegen Grund- und Feinchemikalien, Enzyme und Proteine sowie Geschmacks- und Duftstoffe und damit industrielle Einsatzgebiete. Blaue Biotechnologie umfasst die biotechnologische Nutzung von maritimen Ressourcen, rote den Einsatz in Medizin und Pharmazeutik, z.B. als Vakzine oder in der Gentherapie und schließlich graue Biotechnologie die Abfallwirtschaft und Emissionen.

Mit welchen Prozessen beschäftigen wir uns aber momentan: Hier dominieren Versuche, Prozesse zu ersetzen, in denen viel CO2 entsteht. Diese finden sich beispielsweise in der Bauindustrie, der Stahl- und Zementherstellung sowie bei ölbasierten Produktionsprozessen. Aber auch bei einem scheinbar gesunden Lebensstil sollte man sich immer fragen, woher die Produkte kommen, da z.B. Palmöl als Texturierungsmittel in vegetarischen und veganen Lebensmitteln verwendet wird. Zum Ausbau von entsprechenden Plantagen wird vielfach Regenwald gerodet, so dass sich die Frage stellt, wie eine nachhaltige Palmölproduktion möglich sein kann.

Als Beispiele für nachhaltige Produkte zeigte Prof. Takors die Verwendung von Fasern aus Biomasse, welche z.B. aus Weizenhalmen gewonnen werden können, als Biomaterialien und Substrate.  Aus diesen Fasern können z.B. Töpfe und Möbelstücke entstehen oder auch Biokunststoffe hergestellt werden. Weiterhin wurden Bio-Beton und Zuckerersatzstoffe vorgestellt. Bei den Zuckerersatzstoffen durften die Zuhörer diese sogar probieren und sich selbst von der ungeheuer hohen Süßkraft überzeugen. Weiterhin wurde die Erzeugung von Grundchemikalien aus Zucker anstelle von Mineralöl vorgestellt. Hier gibt es erste Ansätze, Grundchemikalien aus den Abgasen der Stahlindustrie zu erzeugen und damit das entstehende CO2 nicht in die Atmosphäre gelangen zu lassen, sondern gezielt zu nutzen. Nicht zuletzt haben zahlreiche Teilnehmer*innen die rote Biotechnologie durch RNA-Impfstoffe bereits selbst genutzt.

Den Abschluss des akademischen Jahres 2023 sollte wieder eine Experimentalvorlesung machen, diesmal von Privatdozent Dr. Ingo Hartenbach mit Unterstützung der beiden Vorlesungsassistentinnen Denisa Heindel und Katarzyna Raczynska-Warbinek, zu der die Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften und zahlreiche weitere Studierende in den Hörsaal V55.22 kamen. 
Hot and Cold – Temperaturen, die in einem chemischen Labor oder bei Versuchen in einem Hörsaal typischerweise erzeugt werden, sind Temperaturen, die weit entfernt von den wirklich hohen und niedrigen Temperaturen sind – wenngleich die Teilnehmer*innen auch die Temperaturen im Hörsaal an diesem Freitagnachmittag im Juli bereits als ziemlich hoch empfanden.

Wirklich hohe und niedrige Temperaturen finden wir im Weltall. Während die Temperatur im Weltall heute etwa 2,7 K (-270,4 °C) beträgt, gibt es dort auch sehr heiße Regionen in der Nähe von Sternen. Die Temperatur auf der Oberfläche der Sonne beträgt etwa 5800 K, im Kern sogar 15 Millionen K. Von diesen Extremtemperaturen sind wir bei denen, die im Hörsaal erzeugt werden können, weit entfernt. Tiefe Temperaturen, mit denen wir uns hier beschäftigen können, liegen im Bereich von -196 °C (77 K) bzw. -183 °C (90 K), bei denen Stickstoff bzw. Sauerstoff aufgrund des Joule-Thomson-Effekts verflüssigt werden können. Wenn flüssiger Stickstoff in einer Vorlesung gezeigt wird, dürfen einige klassische Experimente natürlich nicht fehlen. So erläuterte Dr. Hartenbach, dass Wasser nicht durch einen Filzhut laufen würde, zeigte aber, dass flüssiger Stickstoff dies sehr wohl tut. So erhielt er einen schön abgekühlten Hut, der ihm dabei helfen sollte, bei den nächsten Experimenten einen kühlen Kopf zu bewahren. Ebenfalls in flüssigem Stickstoff eingefroren wurden Rosen, die danach durch einfache Berührung mit einem festen Untergrund zerschlagen werden konnten, und ein Gummiball, der an der Hörsaalwand in tausend Stücke zerschellte. Den Paramagnetismus von Sauerstoff zeigte Dr. Hartenbach dann durch Ablenkung von flüssigem Sauerstoff durch einen Magneten. Auch bei festem Kohlenstoffdioxid (Trockeneis) werden tiefe Temperaturen erreicht, namentlich -78,5 °C. Es zeigt im Wasser eine saure Reaktion, die man durch den Farbumschlag eines Indikators sichtbar machen kann. Außerdem brodelt es in den Standzylindern wie in einer Hexenküche. 

Die Energetik chemischer Reaktionen führte Dr. Hartenbach anhand der Umsetzungen von Natrium und Kalium mit Wasser vor. Der bei dieser Reaktion entstandene Wasserstoff entzündete sich aufgrund der bei der Reaktion freigesetzten Energie an der Luft. Die Verbrennung von Wasserstoff wurde dann noch eindrücklich mit zwei gefüllten Luftballons gezeigt. Während der erste Ballon nur Wasserstoff enthielt und nach Entzünden mit einer Kerze mit einem lauten Knall mit dem Sauerstoff der Luft verbrannte, explodierte der mit Knallgas (Wasserstoff/Sauerstoff-Gemisch im Verhältnis 2:1) gefüllte Ballon mit sehr lautem Knall. Wer nun erwartete, dass das mit Chlorknallgas gefüllte Gefäß ein noch heftigeres Geräusch auslösen würde, wurde enttäuscht – der entstehende Knall war doch deutlich leiser. 

Anschließend sollten noch einige Reaktionen gezeigt werden, bei denen hohe Temperaturen erzeugt werden können. So versuchte Dr. Hartenbach zunächst – mehr oder weniger erfolgreich – mit einer Bunsenbrennerflamme ein Stück Grillkohle anzuzünden. Deutlich besser funktionierte die Verbrennung von Kohlenstoffstaub mit Sauerstoff, die entsprechend ihrem Namen „Kohlenstaubexplosion“ deutlich einfacher und spektakulärer ablief. Ebenso schaffte es Dr. Hartenbach nicht, ein Eisenblech mit einem Feuerzeug anzuzünden. Deutlich effektiver hingegen war das Schneiden desselben Eisenblechs mithilfe einer in flüssigen Sauerstoff getauchten Zigarre. Dass sich Eisen sogar an der Luft entzünden kann, wenn man es nur richtig anstellt, zeigte die Vorlesungsassistentin Frau Heindel, die fein pulverisiertes Eisen(II)-oxalat in einem trockenen Reagenzglas erhitzte, bis es sich vollständig zu schwarzem, elementaren Eisen umgesetzt hatte. Anschließend stieg sie auf den Labortisch um das Eisen aus dem Reagenzglas auf den Labortisch rieseln zu lassen. Das herausfallende Eisen fing sofort an zu verglühen, da die Eisenpartikel beim Kontakt mit dem Luftsauerstoff schnell oxidiert wurden. Ebenso unter hellen Feuererscheinungen wurden die Verbrennungen von Magnesium sowie Schießbaumwolle gezeigt. Dass es möglich ist, letztere auch in der Hand zu zünden, konnte dabei eindrucksvoll und verletzungsfrei mit Hilfe zweier Schüler*innen gezeigt werden. Den Abschluss machten dann noch Experimente zur Verbrennung von Magnesium unter Trockeneis und zur Aluminothermie.

Nach vielen wunderschönen und beeindruckenden Experimenten machten sich die Teilnehmer*innen dann auf zum Campus Beach, um dort das akademische Jahr 2023 der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft mit einem gemütlichen Beisammensein bei Brezeln und Getränken ausklingen zu lassen. Ein besonderer Dank gebührt Frau Alexandra Friedly und Herrn Moritz Lindemann, die extra für uns die Tagesleitung am Campus Beach übernommen haben, der sonst aufgrund der 10-Jahre-Stuvus-Feierlichkeiten hätte geschlossen bleiben müssen.

Dieses Bild zeigt Barbara Schüpp-Niewa

Barbara Schüpp-Niewa

Dr.

Leiterin Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft

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