Eliteakademie im akademischen Jahr 2024

Chemie, Materialwissenschaft und Lebensmittelchemie

Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft

Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften  im Rahmen der
School for Talents dient der Förderung der Besten unter den Studierenden der Fakultät 3 sowie der Förderung besonders begabter und motivierter Schülerinnen und Schüler der Klassen 10 und der Oberstufe.

Als abschließendes Highlight im akademischen Jahr 2022:
Feuer und Flamme für Chemie - Experimentalvorlesung zu Gefahrstoffen.

Beitrag im studentischen Blog der Universität Stuttgart:
Als Schüler im Hörsaal - Nathanael begeistert sich für Chemie

Die leistungsstärksten Studierenden eines Jahrgangs werden durch fachbezogene Angebote gefördert, beispielsweise in einer Ringvorlesung von Professoren und führenden Wissenschaftlern der Fakultät, Kooperationspartnern anderer Fakultäten, Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie, und erhalten Unterstützung bei der Auswahl und Beantragung von außeruniversitären und Auslands-Praktika, Stipendien sowie einer aktiven Vermittlung von Forschungspraktika, Industrieexkursionen und Auslandsaufenthalten. Die Ringvorlesung wird im etwa 4-wöchigen Rhythmus stattfinden. Dabei schließt der intensive Diskurs eine grundlegende Einführung in die wissenschaftlichen Themen und deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz ein, gefolgt von einer intensiven Diskussion durch die Teilnehmer. Der anschließende enge soziale Kontakt zwischen Teilnehmerinnen, Teilnehmern, Dozentinnen und Dozenten liefert einen wichtigen Beitrag zur interdisziplinären Verknüpfung. Das Angebot wird durch Industrie- und weitere Exkursionen, die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Tagung sowie durch besondere Berücksichtigung der Mitglieder der Eliteakademie zur Teilnahme an Kursen der Ferienakademie Sarntal ergänzt.
Mitgliedern der Eliteakademie wird während des Bachelor-Studiums ein früherer Zugang zu Master-Wahlveranstaltungen ermöglicht. Ergänzend haben die herausragenden Studierenden der Eliteakademie die Möglichkeit, am Fast-Track-Programm teilzunehmen, indem sie während des Masterstudiums verstärkt in Projekte einzelner Forschergruppen eingebunden werden. 
Jedes Jahr werden in den beteiligten Studiengängen bis zu vier Abschlussarbeiten aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Eliteakademie zu einer besonderen Auszeichnung ausgewählt, mit einem Vortrag am Tag der Fakultät besonders hervorgehoben und mit einer Urkunde der Eliteakademie ausgezeichnet.
Auswahlverfahren:
Die Auswahl zur Eliteakademie erfolgt über eine Fakultätsauswahl. In die Eliteakademie werden die jeweils leistungsstärksten Studierenden der Lehrbereiche Chemie und Materialwissenschaften aus den Studiengängen Chemie Bachelor und Master, Lebensmittelchemie Bachelor, Materialwissenschaften Bachelor und Master sowie den Teilstudiengängen Bachelor of Arts Chemie und Master of Education Chemie aufgenommen. Die Auswahl verläuft über Studienfortschritt und Notendurchschnitt.

Besonders begabte Schülerinnen und Schüler nehmen mit den Studierenden zusammen an der Ringvorlesung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft teil. Außerdem erhalten Sie die Möglichkeit, innerhalb der Fakultät Chemie interessante Praktika durchzuführen sowie an einer wissenschaftlichen Tagung und ausgewählten Exkursionen teilzunehmen. Sie werden weiterhin bei der Teilnahme an Veranstaltungen des Schnupperstudiums inklusive dem Schnupperpraktikum Chemie, Schülerpraktika, dem Frühstudium sowie dem Kontakt und Zugang zu Forschungsgruppenleitern besonders berücksichtigt.

Die Bewerbung für das Programm findet zentral über die Homepage der Fakultät 3 der Universität Stuttgart statt.

Die Auswahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler aus den eingegangenen Bewerbungen trifft eine Auswahlkommission der Fakultät. Bewerbungsende ist der 30. September 2023.

Die Auswahl der Schülerinnen und Schüler für das Schuljahr 2023/24 ist abgeschlossen. Eine Bewerbung ist erst wieder ab Juli 2024 für das Schuljahr 2024/25 möglich.

Flyer zum Download.

Programm Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft, 2023/24

27.10.2023
Prof. Dr. Deven Estes, Universität Stuttgart
Experimentalvorlesung: CO2-Chemie: Wie wir den Kohlenstoffkreislauf wieder schließen
10.11.2023
Prof. Dr. Cosima Stubenrauch, Universität Stuttgart
Innovative Methode zur Reinigung historischer Kunstwerke: Schwamm-Effekt und Schaumblasen-Wischen
26.01.2024
Dr. Axel Knödler, Landeskriminalamt Baden-Württemberg
Chemie in der Kriminaltechnik – die spannende Arbeit des Chemikers beim Landeskriminalamt
30.01.2024
Prof. Dr. Stefan Buchholz
Innovationsmanagement (nur für Studierende)
28.02.2024, 29.02.2024, 06.03.2024 und 07.03.2024
Fehling-Lab, Universität Stuttgart
Experimentiernachmittag für Schüler*innen
28.02.2024
Prof. Dr. Stefan Buchholz, Dr. Christoph Weckbecker
Exkursion zu Evonik (Hanau), (nur für Studierende)
19.04.2024
Prof. Dr. Andreas Köhn, Universität Stuttgart
Wie sehen Moleküle aus?
11.05.2024
Exkursion
28.06.2024
Prof. Dr. Jens Brockmeyer, Universität Stuttgart
Gesund, Genuss, Gefahr – die vielen Facetten der Chemie in Lebensmitteln
12.07.2024
Prof. Dr. Thomas Schleid, Universität Stuttgart
Experimentalvorlesung: Stickstoff: Inertgas und Knallerelement
Abschluss: CampusBeach
Eine Exkursion für Studierende sowie ein weiterer Vortrag eines Industrievertreters befinden sich in der Planung.

Zur ersten Veranstaltung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft des akademischen Jahres 2024 waren auch alle studentischen Teilnehmer*innen des vergangenen Jahres geladen, um dort ihre Teilnahmebescheinigungen überreicht zu bekommen. Die Schüler*innen hatten ihre Bescheinigungen schon am Ende des vergangenen Schuljahres in ihrer jeweiligen Schule erhalten. Insgesamt erhielten 85 Schüler*innen und 61 Studierende die Bescheinigung, da sie regelmäßig an den Veranstaltungen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften teilgenommen hatten. Wir freuen uns über diese große Resonanz und hoffen auf eine gleichbleibende Motivation der Teilnehmer*innen im neuen akademischen Jahr.

Erneut vor einem vollen Hörsaal startete die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft in das akademische Jahr 2024. Schülerinnen und Schüler aus ganz Baden-Württemberg hatten den Weg zur Universität Stuttgart angetreten, um mit den besten Studierenden der Fakultät 3 an der diesjährigen Eröffnungsveranstaltung teilzunehmen. Dabei scheuten die Schüler*innen auch lange Anreisen z.B. aus Singen, Engen, Radolfzell, Aalen oder Michelbach an der Bilz nicht, um mit dabei zu sein. So kamen über 150 junge Leute zusammen, um sich von Professor Deven Estes erklären zu lassen, wie der Kohlenstoffkreislauf wieder geschlossen werden kann und wir so unser Klima und die Welt retten können.

Um in das Thema einzuführen, zeigte Professor Estes zunächst einige Fotos – wie stellen wir uns den Sommer vor, z.B. einen herrlichen Strandurlaub, und wie wird er bald sein: unerträglich heiß. Vom Winter erwarten wir eine Schneepracht mit guten Möglichkeiten zum Skifahren, finden aber häufig auch in großen Höhen nur grüne Abhänge, auf denen mit künstlichem Schnee Abfahrtspisten angelegt werden. Professor Estes berichtete auch, dass in seiner Heimat Oklahoma Tornados zu größeren Problemen geworden sind. Auch wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die ganze Welt sich seit den 1980er Jahren deutlich erwärmt. Dies steht im Einklang mit dem steigenden Anteil von Kohlenstoffdioxid in der Luft, da CO2 den Hauptanteil der Wärmeerhöhung erzeugt. Eindrucksvoll zeigt sich dies auch, wenn die Diagramme der Konzentration an CO2 in der Atmosphäre und der antarktischen Temperaturen übereinandergelegt werden, die quasi deckungsgleich sind. Die Erklärung für den Treibhauseffekt kennen die Teilnehmer*innen schon aus der Schule: Sonnenstrahlen gelangen von der Sonne auf die Erdoberfläche und werden auf der Erde in Wärmestrahlen umgewandelt, von dem ein Teil in die Atmosphäre zurückgeschickt wird. Treffen diese Wärmestrahlen nun auf Treibhausgase wie CO2, Methan oder auch Wasser werden sie zum Teil erneut auf die Erdoberfläche zurückgeworfen. Die Auswirkungen zeigen sich besonders stark am Polarkreis, ebenfalls stark betroffen ist Osteuropa. Wenn wir nichts gegen die Klimaerwärmung tun, kann mit einem Temperaturanstieg von ca. 6 °C gerechnet werden – das Klima in Deutschland wäre dann mit dem jetzigen in Spanien vergleichbar, in Indien und der Sahara würden die Temperaturen so steigen, dass man dort kaum noch leben könnte.

Wie kommt nun aber CO2 in die Luft? Zur natürlichen Bildung von CO2 tragen alle Lebewesen durch den Stoffwechsel und das Ausatmen von CO2 bei. Das Vorhandensein von CO2 im Atem machte Professor Estes anhand eines kleinen Wettbewerbs deutlich. Drei Freiwillige aus dem Auditorium wurden gebeten, über spezielle Röhrchen in eine Lösung, die Bromthymolblau als Indikator enthielt, zu pusten. Dabei wechselte die Farbe der Indikatorlösung von blau nach grün, als sich Kohlensäure aufbaute. So führt auch eine höhere CO2-Konzentration im Ozean zur Ausbildung eines niedrigeren pH-Wertes, was zur Folge hat, dass Korallen sich nicht mehr bilden können. Wie CO2 aus der Luft entfernt werden kann, weiß natürlich jedes Kind – durch Photosynthese. Sicherlich werden sich aber auch einige Zuhörer gewundert haben, dass nur 20 % der Photosynthese durch grüne Pflanzen erfolgt, etwa 70 – 80 % aber durch Mikroorganismen im Wasser. Somit ist die pH-Wert-Einstellung im Wasser besonders wichtig. Der CO2-Anteil in der Luft wird zusätzlich entscheidend durch die anthropogene Erzeugung in Form von Verbrennung fossiler Brennstoffe, Agrikultur und Industrie erhöht. Dabei wird i.a. die billigste Methode verwendet, die nicht notwendigerweise auch die beste für die Umwelt ist. Wie können wir also den CO2-Anteil in der Atmosphäre senken? Die erste Möglichkeit ist, durch Nutzung erneuerbarer Energien, Sparsamkeit und Änderungen in der Industriekultur, die zweite besteht darin, CO2 aufzufangen und erneut zu verwenden. Denkbar ist auch die Speicherung von CO2 im Untergrund, wo es innerhalb von Jahrtausenden wieder zu Kalk reagieren könnte. Anhand eines eindrucksvollen Experiments zeigte Prof. Estes, dass auch Zeolithe Kohlenstoffdioxid speichern können. Nun stellte sich aber die Frage, wie CO2 wieder nutzbar gemacht werden kann. Hier zeigte Prof. Estes einige Beispiele, z.B. die Gewinnung von Kunststoffen oder die Bildung von Ameisensäure oder Methanol als wichtige chemische Grundstoffe.

Wenn man sich aber bewusst macht, dass es um Milliarden Tonnen von CO2 geht, wird schnell klar, dass es keine einfache und einzige Lösung geben kann, sondern dass alle möglichen Wege genutzt werden müssen, um gegen den Klimawandel zu kämpfen. Wichtig ist dabei, dass die unterschiedlichen Wege wirtschaftlich attraktiv werden müssen, was oftmals nur über Gesetzesänderungen möglich sein wird. Das Fazit von Professor Estes ist: Wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist.

Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften bietet den talentierten Teilnehmer*innen auch in den kommenden Monaten ein spannendes und herausforderndes Programm, in dem sie ihre wissenschaftlichen Kompetenzen ausbauen können und Einblicke in aktuelle Forschungsthemen erhalten.
 
Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft ist ein Projekt der School for Talents an der Universität Stuttgart, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert wird.

Wofür braucht ein König Schaum? – dies fragten sich sicherlich einige der Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft, als sie die Einladung zur November-Vorlesung erhielten. Will der König ein Vollbad nehmen? Und warum benötigt der König dazu „neue Schäume“?

Schnell wurde aber klar, dass es gar nicht um ein Vollbad gehen sollte, sondern vielmehr um die Reinigung von Kunst- und Kulturgütern. Mit Schäumen und ihren Eigenschaften beschäftigt sich Frau Professor Cosima Stubenrauch an der Universität Stuttgart, die zunächst sehr anschaulich erzählte, wie sie überhaupt zu diesem speziellen Forschungsprojekt gekommen ist. Oberflächen von historischen Kunst- und Kulturgütern sind sowohl durch biogene als auch anthropogene Verschmutzungen belastet. Daher ist es notwendig, diese historischen Oberflächen von Zeit zu Zeit zu reinigen. Dabei gibt es für jede Oberfläche eine maßgeschneiderte Rezeptur, wobei die Restauratoren nur ungerne mit wässrigen oder lösemittelhaltigen Rezepturen arbeiten. Im speziellen Fall sollen 80 Kutschen im Münchener Marstallmuseum von Schloss Nymphenburg gereinigt werden. Hier hatte der Restaurator Dr. Heinrich Piening einige Vorversuche gemacht und dabei herausgefunden, dass geschäumte Reinigungsmittel besser reinigen als ungeschäumte. Da er dieses Ergebnis nicht erklären konnte, trat er an die Physikerin Dr. Wiebke Drenckhan heran, eine Expertin auf dem Gebiet der Physik der Schäume. Seit einem gemeinsamen Forschungsaufenthalt in Dublin stehen Dr. Wiebke Drenckhan und die Chemieprofessorin Cosima Stubenrauch in engem Kontakt. So entstand schnell die Idee zur Zusammenarbeit. Durch einen gemeinsam mit Dr. Piening gestellten und bewilligten Förderantrag bei der Deutschen Bundesstiftung für Umwelt entstand dieses Forschungsprojekt, das in Stuttgart von Frau Dr. Tamara Schad bearbeitet wurde.

Zu Beginn des Projekts stellte sich die Frage, wieso der Schaum überhaupt reinigt. Schäumen wird im Normalfall keine Reinigungswirkung zugeschrieben. Dies deckte sich aber nicht mit der Beobachtung des Restaurators. Daher musste der Schaum näher untersucht werden. Es wird zwischen nassen und trockenen Schäumen unterschieden. Ein nasser Schaum hat kugelförmige Blasen. Durch das Herauslaufen des Wassers (Drainage) entsteht aus einem nassen Schaum ein trockener Schaum mit deformierten Blasen. Der Schaum zerfällt mit der Zeit. Dies ist auf zwei Mechanismen zurückzuführen, die Koaleszenz (Filmriss) und die Ostwald-Reifung (Gastransport). Bei der Koaleszenz reißt der Flüssigkeitsfilm zwischen zwei Schaumblasen und eine neue größere Blase entsteht. Dies kann durch stabile Filme zwischen den Schaumblasen verlangsamt werden. Bei der Ostwald-Reifung verschwinden kleine Blasen zu Gunsten von größeren durch Gastransport, wenn das Gas in der Tensidlösung löslich ist. Da in einer kleineren Blase ein höherer Gasdruck herrscht als in einer größeren, strebt das System nach einem Ausgleich. Dieser Vorgang ist deutlich langsamer als die Koaleszenz. Gibt man Perfluorhexan – ein in Wasser unlösliches Gas – zur Gasphase des Schaums hinzu, wird der Gastransport verhindert. In den Luftblasen befinden sich nun Luft und Perfluorhexan. Bei einem Luft-Gastransport würde sich die Konzentration von Perfluorhexan in den kleineren Schaumblasen erhöhen. Die Perfluorhexan-Konzentration soll aber in beiden Bläschen gleichbleiben und diese Triebkraft ist stärker als der Laplace-Druck, der Triebkraft für die Ostwald-Reifung. In einem Experiment zeigte Frau Professor Stubenrauch, dass Schaum durch Perfluorhexan stabilisiert werden kann und deutlich langsamer zerfällt als Schaum ohne Zusatz.

Zur Untersuchung der Reinigungswirkung der unterschiedlichen Schäume wurde ein Tropfen eingefärbtes Sonnenblumenöl auf einer Glasplatte von unten beobachtet. Dann wurde durch eine Doppelspritzentechnik ein Schaum erzeugt und auf den Öltropfen gesetzt. Der instabile Schaum reinigt dabei deutlich besser als der mit Perfluorhexan stabilisierte. Frau Professor Stubenrauch gab unumwunden zu, dass sie hier eigentlich genau das Gegenteil erwartet hätte – auch Chemiker können sich mal irren. „Das war aber eigentlich sehr gut für uns, da Perfluorhexan ein Treibhausgas ist, und keiner würde ein Reinigungsmittel mit diesem Zusatz kaufen oder verwenden.“, erklärte Frau Professor Stubenrauch. Aber warum reinigt der instabile Schaum nun besser als der stabile? Dies beruht auf zwei Effekten. Der erste Effekt ist der Kapillareffekt, bei dem der Schaum, ähnlich wie ein Schwamm, Schmutz von der Oberfläche „wegsaugt“. Je kleiner die Blasen sind, desto größer ist dieser Kapillareffekt. Hinzu kommt als zweiter Effekt ein „Wisch-Effekt“. Dieser entsteht durch die Mechanik beim Schaumzerfall, also durch das Platzen und Umordnen der Schaumblasen auf der Glasplatte. Das Tensid kann dadurch unter das Öl geschoben werden – und dieser Effekt ist eben nur bei instabilem Schaum zu beobachten. Für eine effiziente Reinigung werden daher beide Effekte benötigt – der „Schwamm-Effekt“ und das „Schaumblasen-Wischen“. Beide Effekte zusammen erzielen eine so hohe Wirksamkeit, dass es ausreicht, den Schaum für eine gewisse Zeit auf der Oberfläche wirken zu lassen, bevor er entfernt wird. Weitere mechanische Aktionen sind nicht mehr erforderlich.

Nach diesen Erkenntnissen durften sich die Forscher dann auch endlich an echten Kunstobjekten versuchen. „Wir haben erst mal klein angefangen mit Bruchstücken von Kunstwerken, die nicht mehr eindeutig zuzuordnen waren. Es zeigte sich, dass die Methode sehr erfolgreich war“, erklärte Frau Professor Stubenrauch den Zuhörer*innen. Durch die erfolgreiche Erprobung der Methode auf kleinen Flächen, konnte im nächsten Schritt eine ganze Kutsche, nämlich der Krönungswagen von Kaiser Karl VII gereinigt werden. Für die Restauratoren ein voller Erfolg, da der Wagen in nur 340 Stunden gereinigt werden konnte – mit herkömmlichen Methoden hätten sie ca. 1000 Stunden benötigt. Zusätzlich konnte die benötigte Tensidlösung um 90 % verringert werden.

Zahlreiche Fragen der Zuhörer*innen beantwortete Frau Professor Stubenrauch im Anschluss an Ihren Vortrag. Dabei erklärte sie auch, wie schwierig das Forscherleben manchmal sein kann. Auf die Frage, ob ein spezielles Tensid notwendig ist, antwortete sie: „Wir haben 30 bis 40 unterschiedliche Tenside getestet, aber nur ein oder zwei funktionieren tatsächlich.“

Einen Einblick in die Arbeit eines Chemikers oder einer Chemikerin in der chemischen Industrie wollten ca. 40 Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft erhalten und machten sich daher auf den Weg von Stuttgart zu Evonik in den Industriepark Wolfgang nach Hanau. Dort wurden die Teilnehmer*innen herzlich vom ehemaligen Senior Vice President R&D Nutrition & Care Prof. Dr. Stefan Buchholz begrüßt, der diesen Besuch als Honorarprofessor der Universität Stuttgart überhaupt erst möglich gemacht hat.

Sicherlich ist bei einigen Teilnehmenden die Firma Evonik nicht sofort präsent gewesen, wenn von chemischer Industrie die Rede ist, denn Evonik produziert weder Autoreifen noch Matratzen, auch keine Tabletten oder Tiernahrung, also keine Dinge des täglichen Konsums. Trotzdem stecken Evonik-Produkte in vielen dieser Endprodukte, da das Spezialchemie-Unternehmen Zusatzstoffe liefert, welche diese verbessert. So sieht es Evonik als Ziel an, das Leben der Menschen mit innovativen Lösungen zu verbessern. Da für eine Firma naturgemäß Ertrag und Wachstum wichtig sind, müssen dazu ständig neue Themen in Form von Innovationsfeldern definiert werden. So sind die Innovationszentren von Evonik über die ganze Welt verteilt und z.B. in Shanghai (China), Singapur, Allentown (USA) oder Mumbai (Indien) angesiedelt. Weiterhin besteht eine Anzahl strategischer Partnerschaften mit Universitäten.

Nach der Einführung ins Thema „Innovation bei Evonik“ durch Dr. Reza Ghahary, wurden mit „Chemisches Recycling bei Evonik“ und einer „Einführung in Rheticus“ zwei Innovationsfelder vorgestellt. Da Nachhaltigkeit in der Konzernstrategie verankert ist – Evonik hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein – ist die Kreislaufwirtschaft ein Forschungsfeld bei Evonik. Ein Großteil des hergestellten Plastiks hat z.B. in Form von Verpackungen nur eine kurze Lebensdauer und landet dann im gelben Sack. Von diesen Verpackungen wird weiterhin ein Großteil verbrannt statt recycelt. Plastikmüll sollte aber als Wertstoff angesehen werden und im Kreislauf verbleiben. Um hierzu einen Beitrag zu leisten, beschäftigen sich Mitarbeiter*innen bei Evonik mit dem chemischen Recycling. Hierbei wird der Plastikabfall mithilfe von Katalysatoren in seine Grundbausteine, die Monomere, zerlegt, um anschließend aus diesen Monomeren wieder Polymere herzustellen. Diese sollten möglichst ähnlich gute Eigenschaften wie ein Neumaterial haben. So hat Evonik z.B. für das Polyurethanrecycling bereits maßgeschneiderte Katalysatoren entwickelt, mit denen PU-Weichschaum aus alten Matratzen recycelt und in neuen Matratzen wiederverwendet werden kann.
Das Projekt Rheticus wurde von Dr. Thomas Haas vorgestellt. Es beschäftigt sich mit der innovativen Technologie der künstlichen Photosynthese. Dabei wird regenerative Energie verwendet, um aus CO2 und Wasser mithilfe von Bakterien Spezialchemikalien nachhaltig zu produzieren. In einem Elektrolyseur wird Wasser in die Elemente zerlegt, in einem weiteren CO2 zu Kohlenmonoxid reduziert. Spezielle Mikroorganismen verstoffwechseln dann CO und H2 zu Chemikalien wie z. B. Hexansäure, Butanol oder Hexanol. Diese können als Edukte in der Nahrungsmittel- oder Chemieindustrie eingesetzt werden. Diese Versuchsanlage konnte leider nicht besichtigt werden, da sie am Standort Marl und nicht in Hanau aufgebaut ist.

Nach dem anschließenden Mittagessen wurde die Stuttgarter Gruppe aufgeteilt und erhielt nun die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und sich Produktionsstätten und Pilotanlagen anzusehen. Während sich die erste Gruppe die Blausäureherstellung nach den Andrussow- und BMA-Verfahren ansah, stand für die zweite Gruppe die Katalysator-Führung auf dem Programm.

Das Andrussow-Verfahren, eine der wichtigsten Methoden zur großtechnischen Herstellung von HCN, ist ein Direktsynthese-Verfahren. Bei diesem Verfahren wird ein Gemisch aus Ammoniak und Methan bei über 1000°C an einem Platinnetz-Katalysator umgesetzt. Die benötigte Prozesswärme für die endotherme Reaktion wird durch Zugabe von Luft und Verbrennung eines Teils des Reaktionsgemenges erzeugt. Im BMA-Verfahren wird Blausäure ebenfalls aus Methan und Ammoniak gewonnen, wobei hier ein mit dem Katalysator innenbeschichtetes Reaktionsrohr von außen beheizt wird.

Bei der Katalysator-Führung wurde eine Anlage zur Produktion von aktivierten Nickelkatalysatoren besucht, die die Studierenden im Studium als Raney-Nickel kennengelernt haben. Dabei konnte die komplette Produktionsanlage – angefangen bei der Herstellung der Nickel-Aluminium-Legierung, über das grobe Zerkleinern mit einem Backenbrecher und das Mahlen bis hin zur Auswaschung des Aluminiums mit NaOH sowie Abfüllen des Katalysators – besichtigt werden. Anwendung finden diese Katalysatoren dann in verschiedenen Hydrierungsreaktionen.

Es folgten noch Einblicke in ein Elektrochemie-Labor, in dem an der Abtrennung von Mikroplastik aus Abwässern mithilfe elektrochemischer Prozesse geforscht wird, der Besuch des Verfahrens-Technikums Partikel sowie einer „Netzwerkstatt“, bei der der Materialwissenschaftler Dr. Frank Löffler seinen Werdegang von der Universität zu seiner jetzigen Stelle als Prozessingenieur bei Evonik beschrieb. Damit konnte er den Studierenden einen Einblick in eine mögliche berufliche Zukunft nach dem Studium gewähren und ein paar gute Tipps für den Berufsstart mit auf den Weg geben.

Für die Studierenden war es eine lohnende Exkursion, bei der sie einen guten Einblick in ein mögliches Tätigkeitsfeld nach der Ausbildung an der Universität erhalten konnten.

Ein besonders herzlicher Dank geht an Frau Dr. Aymeé Michel, die diese Exkursion vorbereitet und vor Ort durchgeführt hat, sowie allen Expert*innen bei Evonik, die uns die unterschiedlichen Forschungsgebiete nahegebracht und erläutert haben und für Fragen zur Verfügung standen.

Dieses Bild zeigt Barbara Schüpp-Niewa

Barbara Schüpp-Niewa

Dr.

Leiterin Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft

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